An die ständigen Klingeltöne der Smartphones haben wir uns gewöhnt. Was aber geschieht, wenn der Klingelton plötzlich vom Kirchturm herabtönt? Genau das wurde im Juli bei der Luzerner Peterskapelle inszeniert. Die Aktion sollte irritieren und zum Nachdenken anregen: Wodurch lassen wir uns im Alltag stören?




 
 

Smartphone klingelt vom Kirchenturm

Ist das Handy der moderne Gott?

Seit über 800 Jahren ist die Peterskapelle am Kapellplatz in Luzern Ort für Gottesdienste und Versammlungen sowie des Gebets. Wegen einer Sanierung schweigen zurzeit die Glocken der Peterskapelle. Das älteste und historisch bedeutsame Kirchengebäude der Stadt Luzern soll moderner und breiter genutzt werden. Die verstummten Glocken haben zwei Studentinnen der Hochschule Luzern Design & Kunst, Klarissa Flückiger und Mahtola Wittmer, auf die Idee für ihre Kunstinstallation «Zeitzeichen» gebracht: «Wir fragten uns, wie Anwohner, Passanten und Touristen reagieren würden, wenn das Glockengeläut der Peterskapelle durch einen Handyklingelton ersetzt würde.» 

 

In unregelmässigen Abständen und Längen war zwischen dem 16. und 21. Juli zwischen 8 und 20 Uhr für jeweils 20 Sekunden anstelle des klassischen Glockengeläuts ein Handyklingelton vom Kirchturm zu hören. Überraschen und irritieren wollten Klarissa Flückiger und Mahtola Wittmer damit – und zum Nachdenken anregen, schreibt das Onlineportal «zentralplus». Hoch oben im Turm, dort, wo sonst die massiven Kirchenglocken hängen, installierten die beiden ein Mischpult und zwei Boxen, aus denen ein charakteristischer iPhone-Klingelton dröhnt. Die Aktion der beiden Kunststudentinnen war von einem grossen Medienecho begleitet worden - neben nationalen Medien berichteten auch Zeitungen, Radio- und Fernsehstationen aus Deutschland, Österreich und Grossbritannien darüber.


Als vor Jahren die Kirchenglocke zur Messe läutete, horchte man ihrem Klang und ging zum Kirchengebet. Sie war es, die den Tagesrhythmus beeinflusste und bestimmte, wann zu Mittag gegessen und wann geschlafen wurde, schreibt die «Luzerner Zeitung»
Handytöne sind heute präsenter und verbreiteter als Kirchenglocken. «Ertönt ein Handyklingelton, reagieren die meisten Menschen sofort. Es könnte schliesslich eine wichtige Person anrufen, es könnte etwas geschehen sein oder man könnte etwas verpassen», stellen die Kunststudentinnen fest: «Wen fragen die Menschen heute um Rat, wenn sie Hilfe brauchen? Wem vertrauen sie alles an? Mit wem kommunizieren sie, wenn sie alleine sind? Hat der Handyklingelton also die Kirchenglocken ersetzt? Ist das Handy der moderne Gott?» Antworten darauf haben die beiden Studentinnen keine. Sie wollen mit ihrer Kunst Fragezeichen setzen: «Mit dieser Installation werden wir dem Handy genau jene Präsenz verschaffen, die es in unserem Alltag einnimmt, ohne dass wir uns dessen bewusst sind.»


Herzlich, Markus Baumgartner

 

 
 
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