Pfarrer Bernhard Jungen hatte genug nach 30 Jahren auf der Kanzel in Ittigen bei Bern. Er hat kurz vor seinem 60. Geburtstag seine Stelle aufgegeben und sie gegen ein Abenteuer eingetauscht: Seit Mitte August ist er mit der «Unfassbar» unterwegs, einer Bar auf drei Rädern. Er geht dorthin, wo das Leben stattfindet. Statt Bibelversen gibts Bier und Begegnungen.




 
 

Vom Pfarrer zum Barkeeper

Mobiles Pfarramt mit Bierausschank

Er hätte das ein paar Jahre früher noch nicht für möglich gehalten, sagte Bernhard Jungen im Interview mit der Zeitung «Der Bund»: «So eine Kirchgemeinde verlässt man doch nicht, hätte ich mir da gesagt, es läuft ja alles gut und man soll nicht davonlaufen, wenn die Leute einen mögen und brauchen.» Doch dann kam das 30-Jahr-Dienstjubiläum, da waren so viele Leute, die ihm dankten und ihn in den Himmel lobten, dass «ich mich am liebsten aus dem Staub gemacht hätte». Es wirkte auf ihn wie eine Verabschiedung, sogar wie ein Nachruf. Zurück blieb bei ihm der Eindruck: «Hier habe ich bewegt, was ich bewegen kann. Aber ich konnte mich unmöglich im Gewohnten einrichten.»

 

Auch wenn er in all diesen Jahren viel Resonanz auf seine Arbeit gespürt habe, fragte er sich immer öfter, ob die Kirche nicht näher zu den Leuten müsste: «Nichts gegen Anlässe in der Kirche – aber warum ist die Kirche bei den Festivals, in der Dorfbeiz, an Ausstellungen und an Sportveranstaltungen nicht vertreten?» Er sah, wie sehr er sich die Büroarbeiten ermüdete und wie wenig Zeit ihm für spontane Gespräche blieb, was ihm immer das liebste Beschäftigungsfeld gewesen war. Und so kam er auf die Idee, eine eigene mobile Bar zu betreiben und mit ihr dorthin zu gehen, wo das Leben stattfindet – ein mobiles Pfarramt sozusagen. Er erreicht so Menschen, die ein offenes Ohr schätzen und die die der Pfarrer von der Kanzel aus nie erreicht hätte, schreibt das «Migros Magazin».

 

Bernhard Jungen ist überzeugt, dass jeder Mensch einen göttlichen Funken in sich trägt, der Clochard genau so wie der Theologieprofessor. Wenn das Raum und Zeit erhält in der Begegnung, wird das unvermittelt aufleuchten und der Gast werde plötzlich ein Engel. Der erste Auftritt der «Unfassbar» war am Berner Matte-Fest, wo sie mit der lokalen Nydegg-Kirche zusammenarbeiteten. Bernhard Jungen ist für die Finanzierung durch viele bürokratische Mühlen gegangen und hofft nun, dank Beiträgen der Kantonalkirche, der Kirchgemeinden von Stadt und Land und von privaten Gönnern ein 75’000-Franken-Budget stemmen zu können. Er selber hat sich frühpensionieren lassen und ist zufrieden, wenn ein zusätzlicher Batzen herausspringt. Seine Frau trägt mit einem Teilzeitpensum in der Spitalseelsorge ebenfalls dazu bei, dass er sich seinen Traum erfüllen kann.

 

Ein Traum von ihm ist, später einmal mit dem Dreirad von Genf nach Romanshorn zu fahren und laufend zu schauen, woher der Wind weht und wo Türen aufgehen. Aber im Moment findet er es schön, dass er nicht weiss, wie es nach der Festival-Saison weitergehen wird: «So sind wir offen für Ideen und flexibel, wenn zum Beispiel Veranstalter, Wirte oder Marktstandbetreiber auf uns zukommen.» Ein Engagement hat sich schon ergeben: Ab 1. Oktober arbeitet er für die Stadtmission Basel als Gastgewerbeseelsorger: «Die Tätigkeit als Baize-Pfarrer in Basel scheint mir eine einmalige Chance.» Mit seiner Erfahrung kann er sich diesen Menschen ideal zuwenden.

 
Herzlich, Markus Baumgartner
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