Über 50 Jahre leben mit Behinderten: Jean Vanier, 88, Gründer der christlich inspirierten «Arche»-Gemeinschaften, hat eine Ehrung der Französischen Ehrenlegion erhalten. Er ist einer der grössten Zeugen christlicher Nächstenliebe in unserer Zeit.




 
 

Glücklich mit Behinderten

Wohltäter in Französische Ehrenlegion aufgenommen

Der französische Premierminister Manuel Valls empfing Jean Vanier persönlich. Valls dankte ihm im Namen der Republik für dessen grosse innere Kraft, die er in einer Welt des Individualismus ein Leben lang für Benachteiligte investiert habe. Während der emotionellen Zeremonie kam auch eine behinderte Frau auf die Bühne. Sie unterbrach den Premierminister, umarmte ihn und sagte mit Blick auf die Ehrung: «Ich wollte dir Danke sagen für das Ding, dass du da für Jean machst.»

 

Der in Genf geborene Kanadier startete 1964 in einem Dorf nördlich von Paris die erste «Arche»-Gemeinschaft, in der Menschen mit und ohne geistige Behinderung in christlicher Weise gemeinsam leben und arbeiten. Die internationale ökumenischen Organisation steht heute weltweit für mehr als 140 «Archen» in fast 40 Ländern auf fünf Kontinenten. Gleichzeitig hat Vanier 1971 zusammen mit Marie-Hélène Mathieu die ebenfalls weltweite Bewegung Glaube und Licht begründet. In diesen Gruppen treffen sich Menschen mit Behinderung, deren Familien und Freunde regelmässig zum Austausch, Gebet und Feiern.

 

Jean Vanier wuchs als Sohn eines Diplomaten in Kanada und England auf. Als er 15 Jahre alt war, trat er der Marine bei, von der er sich 1950 verabschiedete. Er lebte in einer Kommunität bei Paris und begann ein Theologie- und Philosophiestudium. Nach Abschluss des Doktorats lehrte er an der Universität von Toronto. 1964 nahm Vanier nach dem Besuch einer «Irrenanstalt» die zwei geistig behinderten Männer Raphaël und Philippe in ein Häuschen in Trosly auf. Es ist das erste Haus der Arche und der Beginn eines Abenteuers. Er entdeckte «die Tiefe ihres Leidens und ihren Schrei nach wahrhaftiger Beziehung, aber auch ihre Freude an der Gemeinschaft mit Menschen». Er wollte ihnen helfen und merkte auf einmal, wie sie ihm halfen.

 

Jean Vanier hat eine stille Revolution angestossen - das Produkt eines Glaubens, der die Menschlichkeit umarmt. Bei der Gründung der Arche wurden geisteskranke Menschen überall auf der Welt noch in Heilanstalten gesteckt. In der Schweiz gibt es verschiedene Einrichtungen der «Arche» in Zürich. Jean Vanier lebt bis heute auf dem Gelände der ersten «Arche»-Gemeinschaft in Trosly und ist beliebter Sprecher an Konferenzen und Autor diverser Bücher. «Menschen mit einer Behinderung, speziell mit einer intellektuellen, haben der Welt etwas zu geben und zu sagen», sagte Vanier zuletzt in einem Interview. «Sie sind wichtig. Sobald wir mit ihnen in Beziehung treten, beginnen wir, uns zu verwandeln.» Wir leben in einer Welt der Konkurrenz. Das Einzige, was zähle, sei die Produktivität. «Wenn man die Welt so sieht, schliesst man aber alle aus, die nicht produktiv sind», warnte er. 

 

Herzlich, Markus Baumgartner

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