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Als letzter Kapuzinerpfarrer der Schweiz blickt Marzell Camenzind auf turbulente Zeiten im Bergdorf Andermatt zurück. Der leutselige Priester wurde ursprünglich als Staatsfeind verdächtigt und war für die Beerdigung von Gotthard-Rocker Steve Lee zuständig.
Der letzte Schweizer KapuzinerpfarrerVom Armeegegner zum DorfpfarrerIn seinem braunen Habit, dem Ordensgewand, könnte man ihn sich problemlos im Sherwood Forest an der Seite von Robin Hood vorstellen. Die Kutte verweist auf Franziskus von Assisi, das Vorbild der Kapuziner. Pater Marzell Camenzind, 73, wohnt jetzt offiziell bei seinen Mitbrüdern im Kloster Schwyz. Damit geht eine 329-jährige Ära zu Ende: Die Schweizer Kapuziner verlassen das Urserntal. Seit 1688 waren sie in Andermatt. Marzell Camenzind war der letzte Kapuzinerpfarrer in der Pfarrei, er wirkte 30 Jahre in der Talschaft Urseren. Keiner tat dies länger als er.
Er hat die letzten Jahre der bewegten Geschichte Andermatts miterlebt und mitgeprägt. Erst Monate nach seiner Ankunft wurde dem Ordensbruder zugetragen, warum ihm einige Dorfbewohner mit Misstrauen begegneten: Er galt als subversiver Armeegegner, schreibt die «Neue Zürcher Zeitung» (NZZ). Im Rahmen seiner Tätigkeit als Jugendseelsorger hatte er in der Region Basel eine Veranstaltung unter dem Titel «Friedens-RS» durchgeführt. Ausserdem stand er als Priester Dienstverweigerer vor dem Militärgericht zur Seite. So wurde er ein halbes Jahr lang in seinen Gottesdienste im Auftrag des Waffenplatzkommandos belauscht, ob seine Predigten mit armeekritischen Bemerkungen gespickt seien.
Doch der gebürtige Gersauer hatte nichts gegen das Militär und pflegte beste Beziehungen zur Armeespitze. So kannte Camenzind den früheren Generalstabschef Jörg Zumstein und war auch einmal zu Gast in der Zentrale des Verteidigungsdepartements in Bern. Das anfängliche Unbehagen wich rasch, erwies sich der neue Pfarrer doch als Mann der Tat. Näher zur Bevölkerung brachte Camenzind auch sein Engagement als Regisseur im Theaterverein und als Schauspieler beim Freilichttheater.
Sicher nicht geschadet hat auch, dass Camenzind ein geselliger Mensch ist. Es war kein Geheimnis, dass er gerne in den Andermatter Beizen einkehrte. «Einerseits hatte ich nicht immer Lust, selber zu kochen – gerade als ich jeweils noch bis am Mittag an der Schule unterrichtete», sagt er der «Luzerner Zeitung». «Andererseits ging ich auch zu den Leuten und konnte so vieles gleich mit ihnen besprechen.» Der begnadete Erzähler mit seiner sonoren Stimme wurde im «Blick» in positivem Licht dargestellt: Er druckte die Rede ab, die der Pfarrer im Oktober 2010 auf dem Gotthardpass für den verstorbenen Hard-Rock-Sänger Steve Lee hielt.
Herzlich, Markus Baumgartner
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