Sibylle Lewitscharoff glaubt an Gott und die Kraft der Worte. Sie bedauert, dass sich die christliche Kirche in einer Form grosser Verwahrlosung befindet. In ihren Büchern erkundet sie die Menschen und das Leben – zuletzt mit «Das Pfingstwunder».





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Das Pfingstwunder

Wortstarke Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff

In Diskussionen bezeichnet sie sich als «beisswütiger Terrier». Sie habe es gerne scharf, stürze sich gerne ins Getümmel und lege los. Und ihr ist auch recht, wenn Widerstand kommt. In einem kürzlichen Beitrag wünscht sich die Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff vom heutigen Christentum eine deutlichere Botschaft. «Ganz und gar zahnlos» dürfe «der religiöse Tiger» nicht werden, sagte die 62-Jährige dem «Philosophie Magazin». «Und genau das kriegt das heutige Christentum nicht hin.» Die Botschaft werde «immer flauer und flauer» und führe mittlerweile «zu einer reinen Werbesprache, die den Glauben anpreist wie H&M seine Textilien». Da gehe kultureller Halt verloren, warnte die bekennende Protestantin.

 

In Bezug «auf das Jenseits und die damit verbundenen Vorstellungen von Sünde, Heil und Strafe» zum Beispiel müsse «ein einigermassen vernünftiges Drohpotenzial» aufrechterhalten werden, «ohne dabei aggressiv zu entgleisen», sagte Lewitscharoff. Die christliche Kirche befinde sich in einer Form grosser Verwahrlosung. Lewitscharoff studierte Religionswissenschaften in Berlin. 1994 veröffentlichte sie ihr erstes Buch «36 Gerechte», bekannt wurde sie mit ihrem Roman «Pong» (1998). Dafür erhielt sie den Ingeborg-Bachmann-Preis und 2013 den renommierten Georg-Büchner-Preis.

 

Sibylle Lewitscharoff wuchs als Tochter eines bulgarischen Vaters und einer deutschen Mutter auf. Die Kindheit prägte die im Haus mitlebende Grossmutter massgeblich. «Meine schwäbische Grossmutter war eine liebenswürdige Frau. Sie sang schön, war sehr fromm und erzählte gerne Geschichten aus der Bibel.» Ihretwegen seien die Erinnerungen an das Religiöse nicht getrübt. Im Gegenteil: «Meine Grossmutter hat vielen Menschen in ihrer Umgebung Gutes getan. Ihr verdanke ich viel, und ihretwegen bin ich wohl auch nicht aus der Kirche ausgetreten.» Lewitscharoffs kindliche Frömmigkeit wurde jäh aufgerissen, als sie im Alter von elf Jahren den Suizid ihres Vaters und kurze Zeit später den Tod ihrer Grossmutter hinnehmen musste.

 

In ihrem neuen Roman «Das Pfingstwunder» (Verlag Suhrkamp) bezieht sich Lewitscharoff erstmals direkt auf die Bibel, wie in der «Sternstunde» von SRF erzählt. Sie lässt ihre Hauptfigur, einen Dante-Forscher, am Tag des Pfingstfests ein Wunder erleben. Sie streift mit ihm durch Dante Alighieris «Göttliche Komödie», durch Himmel und Hölle und lässt ihn die grossen theologischen und religiösen Fragen wälzen. Sie ist fasziniert von biblischen Geschichten. So vom Buch Hiob, das zu einer Vielzahl einander widerstreitender Interpretationen geführt habe. Oder die Geschichte von Jesus, als eine aufgebrachte Menge eine Ehebrecherin steinigen will. Scheinbar unbeteiligt schreibt er etwas in den Sand, gibt den Anwesenden ein Rätsel auf und dämpft damit die Mordlust. «Einfach genial, dieses Ablenkungsmanöver!»

 

Lewitscharoff interessiert sich für die grossen Suchbewegungen des Menschen und erkundet in ihren Texten das Dies- und Jenseitige. Martin Luther bezeichnet sie in einem Aufsatz in der «Neuen Zürcher Zeitung» als Sprachereignis: «Luthers Übersetzung der Bibel! Bei diesem Thema darf man durchaus ins Schwärmen geraten, denn sein wortbewimmeltes Hirn erfüllt mich mit heller Begeisterung. Das Übersetzungswerk ist würzig, ist derb, das haut rein, ist zuweilen zart und steht einem heutigen Leser auch deshalb als Faszinosum vor Augen, weil die Bibel in dem älteren Deutsch als eine befremdliche Schönheit wie neu ersteht, mit deren Sinn er sich frisch befassen muss, eben weil die Sprache nicht in der gewohnten Geläufigkeit dahergaloppiert.»

 
 
Herzlich, Markus Baumgartner
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