Vor 100 Jahren wurde der französische Dichtermönch Thomas Merton geboren. Sein Erbe ist heute in einer lauten und immer schnelleren Welt aktueller denn je.




 
 

Kontemplation und Aktion

Schweigendes Dasein vor Gott neu erkennen

 
«Für mich heisst Kontemplation beobachten, schauen und versuchen zu verstehen, was man sieht», erklärte der US-Dichter Robert Lax, der auf Patmos lebte. Es war Thomas Merton (1915-1968), der fast im Alleingang die Kraft der Kontemplation neu enthüllte. Die westliche Kirche hatte diese essenzielle Weisheitstradition in den letzten fünf Jahrhunderten verloren. Merton entdeckte in den 1950er und 1960er Jahren das kontemplative Leben neu: Nicht als Rückzug von einer bösen Welt, sondern als eigene Art der Anteilnahme und Hinwendung zu den Wurzeln der Probleme. Merton sagte: «Wir glauben nicht, dass wir im Kloster vom Leiden weg kommen. Wir kommen, um das Leid der ganzen Welt zu halten.»
 
Nach dem Tod der Mutter 1921 wuchs Tom bei seinen Grosseltern auf Long Island (USA), in britischen und französischen Internaten auf. Er sympathisierte mit dem Kommunismus, feierte Partys, sah leidenschaftlich gerne Kinofilme und verstand sich eher als Atheist. 1937 starb Mertons Grossvater, worauf bei ihm innere Krisen aufbrachen. Er näherte sich dem christlichen Gottesbegriff und begann, obwohl protestantisch getauft, sich für den Katholizismus zu interessieren. 1938 wurde er in die römisch-katholische Kirche und 1941 als Postulant der Trappistenabtei «Our Lady of Gethsemani» in Kentucky (USA) aufgenommen. Dort wurde er 1949 zum Diakon und später zum Priester geweiht. Merton wurde zum international gefragten Autor. Mit Büchern wie «Bread in the wilderness» (Brot in der Wüste) und «Die Weisheit der Wüste» machte er die Rosinen der Wüstenväter zugänglich.
 
Als der amerikanische Franziskanerpater Richard Rohr 1985 für ein Retreat nach Gethsemani eingeladen wurde, erzählten sie ihm, dass Merton bei vielen der älteren Mönche nicht sehr beliebt war: Er hatte ihnen gesagt, dass sie «nicht kontemplativ waren, sondern nur den ganzen Tag introvertierte Gebete führten». Merton schrieb: «Paradoxerweise habe ich Frieden gefunden, weil ich immer unzufriedener wurde. Meine Momente der Depression und Verzweiflung stellten sich als Erneuerungen und neue Anfänge heraus.»
 
Als Pfr. Peter Moor kürzlich in der reformierten Kirche Adliswil eingesetzt wurde, schrieb die «ZürichseeZeitung»: In den letzten Jahren entdeckte er die Bedeutung der Stille und der Kontemplation, um den richtigen Weg zu finden. «Der Rückzug und das Andocken an die Urkraft, die wir im Christentum Gott nennen, können die Gewissheit reifen lassen, getragen zu sein, was immer auch passiert», sagt Peter Moor. Diese Botschaft möchte er vermehrt vermitteln. Das heisse auch, die reformierte Wortlastigkeit ein Stück weit zu überwinden.
 
Herzlich, Markus Baumgartner
 
P.S. Über das Dienstagsmail-Fest hat mein Sohn einen spannenden Videoclip gemacht.
 
 
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