«Abracadabra» heisst eine aktuelle Ausstellung in der Stiftsbibliothek des Klosters St. Gallen. Sie widmet sich der Medizin im Mittelalter, die viel mit Nächstenliebe zu tun hat.




 
 

«Den Kranken dienen, als wären sie Christus»

Tätige Nächstenliebe in der Krankenfürsorge

In der Schatzkammer der Stiftsbibliothek St. Gallen befinden sich zwei der ältesten erhaltenen Handschriften zur Medizin im Mittelalter. Diese werden zusammen mit anderen Schätzen aus den Bibliotheksbeständen zurzeit und noch bis am 6. November in einer Ausstellung in den Vitrinen des Barocksaals präsentiert. Dass die Magie damals in der Medizin Platz hatte, veranschaulicht eine Handschrift aus der Blütezeit des St. Galler Skriptoriums im 9. Jahrhundert: In einem Geschichtsbuch preist der angelsächsische Benediktinermönch Beda Venerabilis die heilsame Wirkung von Wasser, in das «Seiten aus Büchern» gegeben wurden, «die aus Irland stammten», schreibt die «Neue Zürcher Zeitung».

Der ehrwürdige Beda wird als Beispiel für die Koexistenz von «rationaler» Gelehrsamkeit und «irrationalem» Glauben an magische Kräfte vorgeführt. Sie sei für eine Zeit charakteristisch gewesen, als medizinische Therapien nur sehr beschränkt wirksam waren. Den Akzent legt die Ausstellung, obgleich sie «Abracadabra» betitelt ist, nicht auf heute kurios Anmutendes, sondern gemäss NZZ auf die mittelalterliche Entwicklung der Krankenpflege und deren «Einbettung in ein religiöses Wertesystem des barmherzigen zwischenmenschlichen Helfens», so Stiftsbibliothekar Cornel Dora im Vorwort.

Die tätige Nächstenliebe der Krankenfürsorge steht im Zentrum der Benediktsregel, die ab 747 auch für das Kloster St. Gallen galt. Sie wurde von Benedikt von Nursia 529 verfasst und heisst: «Die Sorge für die Kranken muss vor und über allem stehen: man soll ihnen so dienen, als wären sie wirklich Christus; hat er doch gesagt: ‹Ich war krank, und ihr habt mich besucht› und: ‹Was ihr einem dieser Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan›.» Drei für die Überlieferung der Benediktsregel bedeutsame Handschriften befinden sich im Besitz der Stiftsbibliothek. Die mittelalterliche Klostermedizin samt dazugehörigem Kräutergarten wird in vielerlei Facetten aufgeblättert. Schlaglichter fallen so auf die kulturgeschichtliche Bedeutung des benediktinischen Mönchstums, dessen Klosteranlagen auch «Musterbetriebe für Landwirtschaft und Handwerk, für Spitalwesen und Krankenpflege» waren, wie es im Katalog heisst.


Herzlich, Markus Baumgartner

 

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