Die Predigt hält die Pfarrerin auf Englisch, gesungen wird auf Französisch und Deutsch. In den letzten Jahren hat sich die Swiss Church London zum Labor entwickelt für neue Ideen im Umgang mit dem klerikalen Raum. Public Viewing von besonderen Fussballpartien ist eine Spielart davon.




 
 

Swiss Church London als Labor

Neue Spielarten des Zusammenseins

In Grossbritannien sind laut Schweizer Botschaft 32’500 Landsleute registriert, davon 12’000 in der Greater London Area. Von diesen Mitbürgern waren einige tausend in Wembley, um sich der alten Heimat beim Fussball-Qualifikationsspiel 90 Minuten lang näher zu fühlen. Andere, die kein Ticket hatten, gingen in ein Pub – oder an die Endell Street 79: Dort, in der Swiss Church, gab es zu diesem besonderen Ländertreffen ebenfalls Public Viewing, ergänzt durch Wienerli, Härdöpfelsalat, von Frauen der Kirchgemeinde zubereitet, sowie «Schweizer Bier 1936» der Brauerei Locher aus Appenzell, das exklusiv in England vertrieben wird, schreibt die «Neue Zürcher Zeitung» in einer Reportage.

Das alte Schweizer Gotteshaus ist leicht zu übersehen – unweit von Covent Garden in eine Häuserreihe gequetscht. Doch tritt man durch sein Portal, öffnet sich ein erstaunlich grosser, lichter Raum. Und auch der Geist bekommt Auslauf, schreibt die «Neue Zürcher Zeitung weiter. Denn so streng reformiert die Swiss Church (gegründet 1762) ihrer Geschichte nach ist, so offen gibt sie sich heute. Zum Beispiel hat die twitternde 35-jährige Pfarrerin Carla Maurer bald nach ihrem Amtsantritt neue Spielarten des Zusammenseins eingeführt, wie Prayer & Pub oder ein Frühstück für Obdachlose. Die Idee von Fussball im sakralen Raum hat sie von ihrer Vorgängerin übernommen. Es gibt keine besonderen Benimm-Vorschriften. Es bestehen lediglich ein paar Regeln des zwischenmenschlichen Umgangs. Bei Fussballspielen war das bisher noch nie ein Problem, obwohl auch schon über 200 Leute da waren.

Pfarrerin Carla Maurer findet, dass wir uns alle als Migranten sehen sollten: «Migration kommt in jeder Familiengeschichte vor, ich selber stamme von italienischen Migranten ab. Der Fussball zeigt das ja exemplarisch: Für die Spieler ist Migration der Normalfall und erstrebenswert, denn Ortsveränderung bringt meistens etwas Positives, einen Fortschritt.» Folgerichtig lösen sich die Grenzen der Staatszugehörigkeit auch während des Spiels wie von selber auf. Das Identifikationsmerkmal ist nicht mehr die gemeinsame Herkunft, sondern der gemeinsame Ball. «Auch im Christentum zählt die Gottesebenbildlichkeit, ungeachtet der Herkunft und Konfession, für die ganze Menschheit. Darum dürfen in dieser Kirche alle mitspielen.»

In der Swiss Church kommen die Menschen zusammen, um in diesem besinnlichen Kontext gemeinsam etwas zu erleben – Verinnerlichung, Erbauung oder eben Unterhaltung: ein Länderspiel, ein Fondue-Essen, eine 1.-August-Feier, an der wahlverwandte Briten nicht selten die grösste Freude haben. Der nächste Anlass in der Swiss Church ist eine Vernissage von Schweiz-Fan Andy. Der Obdachlose hat unter dem Arbeitstitel Karton und Kaviar mit einer geliehenen Kamera 30 seiner Ad-hoc-Unterkünfte fotografiert.

Herzlich, Markus Baumgartner
 
 
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