Ein guter Priester erfährt, dass er am kommenden Sonntag umgebracht wird. Er trägt keine Schuld. Der Drohende will mit dem Tod des Priesters die gleichgültige Welt aufrütteln. Das ist die Ausgangslage von «Calvary», dem dialoglastigen, intelligenten und grossartigen neuen Film von Michael McDonagh.




 
 

Golgatha im 2014

Calvary – Tipp für einen aktuellen Kinofilm aus Irland

 
Im Beichtstuhl erfährt Father James Lavelle von einem Mann aus seiner Gemeinde, dass dieser als Kind von einem Priester missbraucht worden sei. Der Täter sei längst verstorben, aber nun werde er, der Beichtende, am darauffolgenden Sonntag ihn, Father Lavelle, umbringen. Denn nur der Tod eines guten Priesters könne die gleichgültige Welt noch aufrütteln. Mit dieser Beichtszene wird der Film «Calvary» oder «Am Sonntag bist du tot» eröffnet.

Father Lavelle erkennt die Stimme des Mordwilligen, bricht aber sein Beichtgeheimnis nicht. Vielmehr stellt er sich seinem Schicksal und erfüllt weiterhin seine pastoralen Pflichten. Er begegnet den unterschiedlichen Menschen in einem irischen Küstendorf und nähert sich unaufhaltsam seinem möglichen persönlichen Golgatha. D
er Titel «Calvary» ist eindeutig und programmatisch. Golgatha oder der Kalvarienberg steht in der katholischen Tradition für den Passionsweg, die Stationen des Leidens Jesu bis zur Kreuzigung. Der Film schickt seinen Father Lavelle auf einen solchen Passionsweg. Denn in der Woche vor seinem angekündigten Tod trifft er auf Menschen und Situationen in seiner Gemeinde, die stellvertretend die ganze Misere der orientierungslosen katholischen Kirche repräsentieren.

Father Lavelle ist nicht nur ein guter Mensch. Er ist auch ein guter Priester, einer, der sich auf alle Herausforderungen einlässt. Er hat ein offenes Ohr für jeden, selbst für den jungen Mädchenmörder im Gefängnis. Gleichzeitig lässt er sich in seiner moralischen Erdung nicht beirren. Er ist kein Dogmatiker, kein Vertreter der kirchlichen Autorität (von denen gibt es mit dem Bischof und seinem Co-Priester zwei besonders jämmerliche Exemplare zu sehen), aber er ist ein Mann Gottes und des Glaubens.


«Der Film fesselt nicht nur wegen dem sich zuspitzenden Finale des angekündigten Mordes, sondern gerade auch, weil er auf vielfältige Art und Weise Lebensschicksale beleuchtet. Dabei wird eine Tür zur Vergebung aufgestossen und die Frage gestellt, ob sie der designierte Mörder letztlich durchschreiten wird», erklärt Thomas Schüpbach, Pfarrer ref. Kirchgemeinde Zürich-Sihlfeld zum Film. Und weiter: «Prägnante und lebensnahe Dialoge – unterstrichen mit ausdrucksstarkem Schauspiel und überzeugender Bildsprache – greifen existentielle Themen des Alltags auf und stimmen tief nachdenklich. Der lokale Kontext der Geschichte wird gesprengt, weil sich alle erzählten Schicksale auch anderswo – nicht zuletzt im Leben und Umfeld der Zuschauenden – ereignen könnten.» In Irland ist «Calvary» zu einem Publikumserfolg geworden.
In der Schweiz wird es wohl kein Kassenschlager. Mich hat der Film auf jeden Fall tief beeindruckt und nachdenklich gestimmt.

Zum Film: «Calvary», Irland / Grossbritannien 2014, Regie: John Michael McDonagh, Besetzung: Brendan Gleeson, Chris O’Dowd, Kelly Reilly


Herzlich, Markus Baumgartner

 
 
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