Ob gewollt oder nicht: Die TV-Konkurrenz nimmt zu. Daher besuchen immer mehr Pfarrer Schauspielunterricht und lernen, den ganzen Körper zu gebrauchen, mit allen Sinnen zu verkünden.





 
 

«Bühne frei» für die Pfarrer

Gottesdienste spannender machen

«Stopp. Nochmals von vorn.» Ein Regisseur gibt Pfarrern Anweisungen, wie sie sich zu bewegen haben. Sie sollen lernen, ihre Gottesdienste professioneller zu gestalten, schreibt die «Neue Luzerner Zeitung». Während sich Priester im Kanton Aargau während des Gottesdienstes von Laien beurteilen lassen, setzt man in Luzern auf Schauspielunterricht. Bernward Konermann, deutscher Regisseur, Schauspieler und Kursleiter, sagt: «Die Nachfrage wird immer stärker.» Organisiert hat die Kurse Thomas Villiger, Co-Leiter Fachstelle Pfarreientwicklung und Diakonie der Römisch-katholischen Landeskirche des Kantons Luzern: «Die kirchlichen Mitarbeiter lernen den ganzen Körper zu gebrauchen, mit allen Sinnen zu verkünden.» So solle zum Beispiel ein Text nicht nur gelesen, sondern auch verinnerlicht werden. Hierzu würden Übungen helfen. «Jeder Sportler bereitet sich mental auf seinen Einsatz vor. Das gilt auch für Gottesdienstgestalter.»

 

Rolf Asal ist Ausbildungsleiter am Seminar St. Beat Luzern. Er begleitet Priesterkandidaten und Laientheologen. «Während des Studiums bereiten die Studierenden regelmässig Gottesdienste vor und erhalten dazu auch ein qualifiziertes Feedback», sagt er. Zusammen mit Liturgiewissenschaftlern, Musikern und Theaterpädagogen wird erarbeitet, wie man einen Gottesdienst stimmig gestalten kann. Da könne die Kirche was Auftritt und Choreografie angeht – von Theaterleuten lernen. «Die Gottesdienstbesucher sind heute anspruchsvoller und getrauen sich zu Recht, auch Kritik anzubringen», sagt Asal und fügt an: «Die Leute sind sich nicht nur beim Fernsehen gewohnt, einfach wegzuzappen, wenn sie von einem Programm nicht angesprochen werden.»

 

Dies sieht auch die reformierte Kirche so. Thomas Schaufelberger, Leiter Aus- und Weiterbildung der evangelisch-reformierten Pfarrer des Konkordats der Deutschschweizer Kantone sagt: «Die Gottesdienstgestaltung und eine spannende Predigt gehören zu den Kernaufgaben unserer Pfarrer.» Eine charismatische Persönlichkeit alleine reiche da nicht aus. Auch das Handwerk, etwa die Auftrittskompetenz oder die Inszenierung, sei wichtig. In Weiterbildungskursen und im einjährigen Lernvikariat, das nach der Ausbildung Pflicht ist, würden Pfarrer dies lernen. Regisseure und Schauspieler unterrichten die Pfarrer. Videoanalysen werden gemacht. Am Schluss gibt es eine Prüfung.

 

Schon in der Erweckungsbewegung des 18. Jahrhunderts trat der Prediger teilweise als dramatischer Schauspieler auf, um die Gemeinde intensiver anzusprechen und seinen Gedanken Nachdruck zu verleihen. Typisch für die Erweckungsveranstaltungen war ihr emotionaler Charakter. Viele Erweckungsprediger entwickelten auch eine eigene Choreographie. Der Prediger setzt damit bewusst Körperhaltung, Bewegung und Stimme ein, um den Inhalt seiner Verkündigung zu unterstreichen. George Whitefield (1714-1770) gilt als Erfinder einer neuen Rolle des Predigers. Er sprach die Zuhörerschaft in freier Rede unmittelbar an und las keinen vorher schriftlich niedergelegten Text vor. Der Schauspieler trat an die Stelle des Gelehrten. Charles G. Finney (1792-1875) stieg nicht immer auf die Kanzel, sondern blieb im Kirchenschiff, legte Wert auf Blickkontakt, wandte sich direkt an einzelne und berührte sie sogar.

 

Herzlich, Markus Baumgartner

 
 
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