«Der Wein erfreut das Herz» – so steht es in der heiligen Schrift. Ein Berliner Pfarrer hat sich das zu Herzen genommen und in Berlin eine Kneipe eröffnet. Er nimmt sich Zeit für seine Gäste.




 
 

Auf ein Bier beim Pfarrer

Kirche sein, wo die Menschen sind

Der Berliner Geistliche Ulrich Kotzur hat mitten in seinem Kiez ein Wirtshaus eröffnet. Während der Woche ein «normales» Restaurant, steht dort jeden Sonntagabend ein anderer Geistlicher am Tresen. Kotzur hat die Ärmel hochgekrempelt, trägt dunkle Hose und Pullunder. Nur am Kollar, dem weissen Stehkragen, ist zu erkennen, dass es kein gewöhnlicher Schankwart ist, der beherzt nach den Biergläsern greift, schreibt die «Neue Zürcher Zeitung». Der Austausch ist im «Kreuzberger Himmel», wie die Kneipe heisst, ausdrücklich erwünscht. Und nicht selten bekommt ein Gast zum Bier einen Plausch mit dem Priester. Insgesamt zehn Geistliche wechseln sich mit dem Dienst hinter dem Tresen ab.

Sollte Kirche nicht ein Ort sein, wo die Menschen gerne hinkommen? Wo sie ein offenes Ohr finden und sich wohl fühlen? So kamen er und andere Gemeindemitglieder auf den Gedanken, eine Kneipe zu eröffnen. «Gastfreundschaft gehörte schon immer zum Christentum», sagt der Priester. Und Alkohol? Pfarrer Kotzur grinst. «In der Heiligen Schrift steht: Der Wein erfreut das Herz.» Schon im Mittelalter hätten Mönche Bier gebraut, es gar als Heilmittel empfohlen. Kotzur fasst zusammen: «Wo Menschen mit Freude zusammenkommen, da ist auch Gott.» Das tun sie auf seine Initiative nun auch im «Kreuzberger Himmel». Regelmässig finden im «Kreuzberger Himmel» Veranstaltungen statt: Lesungen, Gespräche, kleine Konzerte. Auf der Speisekarte stehen «Benediktiner Suppe» und «Mönchs Vesper», das Dessert heisst «Himmlisches Finale». Dass sich der Pfarrer nicht zu fein ist für einen solchen Nebenjob – das imponiert den Gästen.


Ähnliches macht in Oberägeri im Kanton Zug Pfarreileiter Urs Stierli, schreibt die «Neue Zuger Zeitung». Er hat im Restaurant Eierhals zum Gespräch eingeladen. Viele sind seinem Ruf gefolgt. «Die Kirche
ist auch mein Bier», steht wie ein Motto auf dem Bierdeckel. «Die Kirche muss zu den Leuten gehen», ist einer der Grundsätze von Urs Stierli. Es gehe darum, die Hemmschwelle zu senken und den Menschen die Möglichkeit zu geben, sich in einem ungezwungenen Rahmen zu äussern. 20 Frauen und Männer unterschiedlichen Alters treffen sich am runden Stammtisch, der angesichts des Andrangs erweitert werden muss. Und wie es sich für eine solche Runde gehört, kann man zuerst etwas zum Trinken bestellen.

Für das Gespräch gibt es weder vorgegebene Themen noch einen Gesprächsleiter. «Ich weiss jeweils nicht, was angesprochen wird», sagt Urs Stierli, der sich als ganz gewöhnlicher Teilnehmer versteht. Mindestens bis zu einem gewissen Punkt. Wenn zum Beispiel Fragen nach dem Angebot von Gottesdiensten gestellt werden, ergreift er die Gelegenheit, um gewisse Dinge zu erklären. In diesem Sinn ist auch der Versuch des Stammtischgesprächs zu sehen. Dieses will Stierli in grösseren Abständen in verschiedenen Restaurants anbieten. Die Anzahl der Teilnehmer und die angeregten Gespräche, die mal bilateral, mal im Plenum geführt wurden, machen Mut für eine Fortsetzung, so Stierli.


Herzlich, Markus Baumgartner


P.S. Den Award für Öffentlichkeitsarbeit gewann am Sonntag Viktor Wittwer (45,5% der Stimmen) vor Annarös Vonlanthen / Fritz Steffen (28,8%) und Pfr. Markus Giger (25,8%). Es wurden 300 Stimmen abgegeben. Bericht folgt nächste Woche.

 
 
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