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Hansueli Minder bringt als Seelsorger Zeit für Gespräche und zum Zuhören ins Gefängnis. Damit will er den Menschen Raum für Anteilnahme schenken.
Weihnachten im GefängnisEindrückliche Erlebnisse eines Seelsorgers«Als Gefängnis-Seelsorger schenke ich Zeit und gebe einem Gegenüber Raum im Gespräch. Dieser Raum ist frei von Ermittlung und Verurteilung», erklärt der Theologe Hansueli Minder gegenüber der Zeitung «Der Bund». Sein Auftrag besteht nicht darin, einen therapeutischen Prozess zu initiieren. Er bietet eine Begegnung an. Den Anspruch, Menschen in ihren belastenden Einstellungen und Haltungen verändern zu können, hat er nicht. Manchmal verändert sich aber etwas schon rein dadurch, dass sich jemand aussprechen kann.
Weihnachten ist im Gefängnis eine spezielle Zeit. Die Trennung vom gewohnten Umfeld wird noch intensiver erfahren als sonst. Wer in Untersuchungshaft ist, leidet unter der Kontaktsperre. Über die Besuche hinaus kann Hansueli Minder mit einer Weihnachtsfeier, zu der auch ein Tannenbaum gehört, ein wenig Gemeinschaft anbieten. Die Heilsarmee spielt auf, und alle erhalten ein kleines Geschenk, Kalender, Schoggi, Socken und Schreibzeug. Zu dieser Feier kommen viele, auch Nichtchristen. Sie wird als Zeichen der Wertschätzung empfunden. Zugehörigkeit wird erfahren. Die Gefangenen sind dabei für einmal einbezogen, nicht ausgegrenzt.
Seelsorge im Gefängnis ist vom Kanton beauftragt. Auch ein Angeklagter soll spüren dürfen, dass er ein ganzer Mensch bleibt und somit auch in seinen spirituellen und religiösen Bedürfnissen wahrgenommen wird. Das gehört zu seiner unverlierbaren Würde. Er oder sie bleibt damit Teil der Gemeinschaft. Vielleicht ist dies eine Voraussetzung für die gelingende Wiedereingliederung.
Hansueli Minder ist oft berührt von dem, was ihm mitgeteilt wird: «Ich höre gerne zu und erlebe oft, wie Menschen beim Erzählen Zugang finden zu ihrer ganz eigenen Geschichte, auch wenn es ein sehr bedrückendes Schicksal ist. Manchmal staune ich, was Menschen aus schwierigen Situationen herausholen.» Es gibt auch Leute, die mit ihrer Situation hadern. In solchen Situationen kann das gemeinsame Wahrnehmen und Aushalten des Unglücks zum Geschenk werden. Die belastenden Verhältnisse werden damit nicht besser. Doch das Alleinsein mit ihnen ist für einen Moment durchbrochen. Wer 23 Stunden in der Zelle sitzt und nur den Fernseher zu seiner Zerstreuung hat, reagiert in der Regel sehr positiv, wenn er von einem Gegenüber offen und respektvoll wahrgenommen wird.
Herzlich, Markus Baumgartner
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