Ein Kommunist und die Bibel

Beitrag von Josef Zisyadis, Kommunist und Theologe

In der Zeitschrift „Die Bibel aktuell“ der Schweizerischen Bibelgesellschaft  (www.die-bibel.ch) gibt es immer einen Gastbeitrag. In der aktuellen Ausgabe sticht einer hervor: Der Beitrag von Josef Zisyadis, 56, aus Lausanne, der 20 Jahre für Partei der Arbeit im Nationalrat sass. Er fand über das Christentum zum Kommunismus und hat die Spannung zwischen den beiden Denkwelten immer geschätzt, schrieb die „Wochenzeitung WoZ“ über ihn. Vor seiner Politkarriere arbeitete er vier Jahre lang als Pfarrer in Belleville bei Paris mit Armen und Migranten. Geboren in der Türkei als Sohn eines Griechen, studierte er an der Universität Lausanne Theologie. In seiner politischen Tätigkeit sah er sich gemäss dem Evangelium zum Kampf für die Armen verpflichtet. Er findet, dass der Glaube nicht Opium fürs Volk ist, sondern am Beginn jeder Revolte steht. Als Pfarrer wie als Politiker habe er die Gesellschaft verändern wollen. Im Land seiner Wurzeln ist er kulinarisch aktiv: Er importiert griechisches Olivenöl und baut auf der Insel Patmos einen neuen Weinberg auf.
Er schreibt im Gastbeitrag: „Seit Jahren beginne ich jeden Tag mit einem kleinen Morgenritual: Gegen 5 Uhr, wenn noch die ganze Familie schläft, stehe ich auf und lese einige Bibelzeilen, die Tagespresse... und ein Kochrezept. Das mag seltsam erscheinen, doch für mich ist diese dreiteilige Lektüre unerlässlich für den Start in den Tag. Zumal sie sich später stets gestaltend auswirkt. Die Bibel, meine Tageszeitung und gutes Essen!
Ich lese in der Zeitschrift meiner Kirche „Pain de ce jour“. An manchen Tagen freue ich mich über die Kommentare der biblischen Passagen, an anderen schimpfe ich über das verwässernde Geplapper. So oder so ist die Bibel ein ausgezeichneter Wachrüttler für den Tag. Heute Morgen beispielsweise hat sie mich daran erinnert, wie die Hohenpriester im Tempel von Jerusalem versuchten, Jesus mit ihren Fragen in die Falle zu locken (Markus 11, 27-33). Jesus lenkte ihre Fragen so um, dass den Tempeldienern die eigene Feigheit vor Augen trat. Was für eine befreiende Verschiebung der Optik!
Und die Tagespresse? Nach der jüngsten Eidgenössischen Volksabstimmung vom 11. März 2012 richtet sie ihre Aufmerksamkeit auf den notorischen „Störenfried“ Franz Weber. Auch dieser versteht es, bestimmte Fragen in eine neuen Kontext zu stellen. Die Ereignisse der Zukunft werden ihm eines Tages Recht geben.
Und nun blüht wieder Frühling und mit ihm die Schönheit der Schöpfung. Erste Saisongemüse und zarte Kräuter. Ich glaube, ich werde heute Abend Bärlauch-Teigwaren mit einem Schuss Olivenöl zubereiten. Das wirkt befreiend auf Kopf und Magen.“
Herzlich, Markus Baumgartner
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