Wahlherbst und die Kirche

Kirche, Christentum und die Politik

Nach den letzten Wahlen 2007 bezeichneten sich in einer Umfrage der «Neuen Zürcher Zeitung» von 246 National- und Ständeräten 107 als katholisch und 87 als reformiert oder freikirchlich. Trotzdem ist Religion in der Bundespolitik kaum je ein Thema. Die Vermischung von Christentum und Politik ist wegen schlechter Erfahrungen verpönt. Das macht es für die Kirchen nicht einfach, politisch im Gespräch zu bleiben.
Das will zumindest die katholische Kirche ändern: «Die Kirche ist politisch!» lautete die Überschrift des Hirtenbriefes der Schweizerischen Bischofskonferenz zum 1. August. Vor dem Hintergrund der eidgenössischen Wahlen im Herbst machte die katholische Kirche unmissverständlich deutlich, dass sie auf politischer Ebene wieder mehr Einfluss gewinnen will. Zwar nicht mit Parteipolitik: «Aber wir ergreifen Partei.»
Anders sah das Markus Arnold, der katholische Theologe ist und bis vor kurzem Präsident der CVP des Kantons Zürich war: Er erachtete es als Fehler, dass die Stadtzürcher Partei im Wahlkampf den Zusatz «liberal-sozial» nicht wie in früheren Kampagnen verwendet hat. Mit dem Label «liberal-sozial» rücke das C im Parteinamen in den Hintergrund – was nichtreligiösen Wählern den Entscheid für die CVP erleichtern solle.
Die CVP tut sich mit dem kirchlichen Hintergrund zunehmend schwer. So legt die Partei Wert auf ihre Unabhängigkeit von der Kirche. Parteipräsident Christophe Darbellay erklärte in einem Interview: «Wir sind seit 1971 nicht mehr konfessionell. Wir sind christlich. Bei uns kann sich auch wohlfühlen, wer nicht jeden Sonntag in die Kirche geht. Viele Reformierte, Katholiken, Atheisten, Muslime und andere machen bei uns mit, teilweise in Schlüsselpositionen. Dies, weil sie sich mit C-Werten wie Respekt, Eigenverantwortung und Solidarität identifizieren können.»
Anders sieht dies bei der EVP aus, die im Kanton Bern mit den Pfarrern Beat Christoph Kunz und Matthias Kuhn sowie mit Marc Jost einen ehemaligen Pfarrer und heutigen Diakonieleiter als einen der Spitzenkandidaten auf der Liste führt. Auch in anderen Kanton tritt die EVP mit Pfarrpersonen an, so mit Etienne Rochat (Genf), René Steiner-Fluck (Solothurn) und Thomas Prelicz (Schwyz). Die Zürcher EVP lanciert auf der Liste 7 mit Nik Gugger einen Spitzenkandidaten, der Gesamtleiter der reformierten Jugend- und Fabrikkirche in Winterthur ist. Gugger will mit Taten statt Worten überzeugen und eine Kirche leben, die am Puls der Zeit ist. So befasst er sich unter der Kernforderung der Nachhaltigkeit mit dem sinnvollen Umgang unserer Gesellschaft mit den vorhandenen Ressourcen. Er erprobt in der Schweiz und in Zentralamerika neue, kreative Formen des sozialverträglichen Unternehmertums. Gugger betreibt in seiner Fabrikkirche ein Restaurant, in dem er Arbeitslose beschäftigt und so einen Teil der Betriebskosten der Kirche erwirtschaftet. In Zentralamerika fördert er den Einsatz von Mikrokrediten, um den Ureinwohnern eine bescheidene Existenz zu ermöglichen.
Herzlich, Markus Baumgartner
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