Glaube wird privater

Vergleich von Todesanzeigen der letzten 90 Jahre

Der Luzerner Religionspreis 2011 für eine herausragende Maturaarbeit im Themenbereich Religion und Ethik wurde an Stefanie Lochbühler vom Gymnasium St. Klemens Ebikon verliehen. Sie hatte sich mit dem Thema «Todesanzeigen – Spiegel der Religiosität» befasst. Auf methodisch und inhaltlich beeindruckende Weise hat Stefanie Lochbühler die Entwicklung christlich-religiöser Elemente in Todesanzeigen Luzerner Zeitungen von 1920 bis heute untersucht. Darüber berichteten «Der Sonntag» der Aargauer Zeitung sowie die «Neue Luzerner Zeitung».
Die Erkenntnisse stützen sich auf die Analyse von fünf Jahrgängen von Luzerner Tageszeitungen (1920, 1950, 1975, 1993, 2010). Seit 1920 nehmen christliche Bezüge, sei es in der Bebilderung, in der Textgestaltung wie etwa der Wahl der Sinnsprüche und bei den Bräuchen im Zusammenhang mit dem Todesfall ab. Eine deutliche Zäsur ergibt sich erst seit 1993 und nicht etwa 1975, was man aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklungen vielleicht erwartet hätte. «Die Säkularisierung findet in den Todesanzeigen wohl mit Verspätung ihren Niederschlag», erklärt Stefanie Lochbühler. «Die Verstorbenen sind ja meistens ältere Menschen, die eher noch dem traditionellen Glauben verbunden waren, und darauf wird in den Todesanzeigen Rücksicht genommen.»
Heute weist nur noch knapp ein Drittel der Anzeigen christliche Symbole oder Leitsprüche auf. Hinweise auf das Jenseits gibt es nur noch bei jeder zehnten Anzeige, die Erwähnung des Sterbesakraments oder konkrete Bezüge zur Kirche sind fast gänzlich verschwunden. Solche Elemente waren früher praktisch Fixpunkte.
Erstaunlich sei, dass diese nicht durch religiöse oder esoterische Alternativen ersetzt werden. «Das hat mich recht überrascht», räumt Stefanie Lochbühler ein. «Und zeigt vermutlich, dass Religion generell im Zuge von freiheitlicheren Idealen nicht nur pluralistischer und individueller, sondern auch privater geworden ist. Früher hat man auch in Todesanzeigen seine Überzeugung stärker nach aussen gezeigt. Heute hält man sich eher bedeckt.» Der Tod sei zunehmend aus der Gesellschaft verdrängt worden und betreffe nur noch die nächsten Angehörigen. Dazu passe auch die häufige «Beisetzung nur im engsten Familienkreis» und die «Bitte, von Beileidsbekundungen abzusehen».
Offenbar wollen die Menschen ihre Jenseitsvorstellungen eher privat halten. Oder die Vorstellungen sind weniger konkret als früher. Auch Stefanie Lochbühler sagt: «Ich glaube an ein Leben nach dem Tod. Aber eine Vorstellung davon habe ich nicht wirklich.»
Herzlich, Markus Baumgartner
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