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Glaube und Bob DylanRockpoet mit vielen Bezügen zur BibelNicht nur das aktuelle Rolling-Stone-Magazin liefert die Titelgeschichte zu Bob Dylan. Dort gib es u.a. einen Aufsatz von Knut Wenzel, Professor für Dogmatik und Fundamentaltheologie in Frankfurt. Er ist Autor des neuen Buches «Hobo-Pilgrim: Bob Dylans Reise durch die Nacht» im Matthias-Grünewald-Verlag. Auch der Andrea Marco Bianca, seit 1996 Gemeindepfarrer in Küsnacht ZH, hat sich mit dem Rockpoeten befasst. Zu seinen Schwerpunkten als Pfarrer zählt er moderne Medien und Populärmusik und bietet auf seiner Homepage www.bianca.ch eine Textauswahl zu vier Themen an, u.a. zum Thema Sehnsucht eine kleine Abhandlung zu Bob Dylans aktuellem Geburtstag, die hier gerne rezitiert wird:
«Erschreckt nicht, wenn nah und fern Kriege ausbrechen. Es muss so kommen, aber das ist noch nicht das Ende.» Dieses Bibel-Zitat aus Markus 13,7 findet sich in Dylans Antikriegslied «Let Me Die In My Footsteps» von 1963. Es ist typisch für Dylans endzeitliche Glaubensfragen – und ist auch 48 Jahre später noch immer hochaktuell: Ein besonderer Reiz von Dylans Songs liegt in ihrer zeitlosen Gültigkeit.
Dylan hat seit seinen Anfängen in den 1960-er Jahren bis heute Texte mit moralischem und religiösem Anspruch geschrieben. Der profunde Dylan-Deuter Michael Gray sieht dabei seine «Sehnsucht nach Erlösung» zusammen mit Dylans Suche nach «moralischer Klarheit » als Leitmotiv in seinem gesamten Werk.
Biblische Zitate finden sich denn auch schon in seinen frühen Protestsongs. In «The
Times They Are A-Changin’» (1964) werden zum Beispiel die Letzten wie in der Bibel (Markus 10,31) die Ersten sein. Dylan selber war aber kein Heiliger. Sein Ringen bei der Umsetzung seiner Einsichten erinnert vielmehr an den Gegensatz von «Fleisch» und «Geist» bei Paulus: «Wir bringen es zwar fertig, uns das Gute vorzunehmen; aber wir sind zu schwach, es auszuführen» (Römer 7,18b).
Wenngleich seine neueren Texte mehr indirekt über das Symbol «Liebe» auf christlichen Glauben hinweisen, berichteten Mitmusiker, dass sie mit Dylan vor Konzerten gebetet hatten. Und sein aktuelles Werk heisst bezeichnenderweise «Christmas In The Heart» (2009). Auch auf seinem ersten Nummer 1 Album seit 1976, «Modern Times» (2006), welches weltweit grösstenteils begeistert aufgenommen wurde, ist die Bibel präsenter als in den Werken davor: Vom Geist über den Wassern und dem Nächsten, den man lieben soll wie sich selbst bis zum Gebet, das nicht (sogleich) bewirkt, was man sich wünscht. Zudem anerkennt Dylan eine «höhere Macht» als Quelle für seine Musik. Dabei geht es Dylan nie um eine postmoderne Beliebigkeit von Religion, sondern um
Liebe und Gerechtigkeit für die aktuelle Situation der Welt: «Es kommt eine Zeit, in der man den Fakten ins Auge sehen muss, und die Wahrheit ist wahr – ob man es glauben will oder nicht... diese Lüge, dass jeder seine eigene Wahrheit in sich trägt, hat
viel Schaden angerichtet.» Dylan fordert alle seine Hörerinnen und Hörer bis heute immer wieder neu heraus, Verantwortung für die Würde des Lebens wahrzunehmen: «Ich bin nicht an ein Bekenntnis gebunden; ein frommer Christ oder Muslim kann genauso wirkungsvoll sein wie ein frommer Jude.»
Seine explizit christliche Phase durchlebte der jüdisch aufgewachsene Dylan von 1979 bis 1981, als er sich zu Jesus bekehrte und sich taufen liess. Messerscharf war damals seine Kritik an einer oberflächlichen Religiosität. In Anlehnung an Johannes 14,6 forderte er in einem Interview einen persönlichen Glauben: «Christus hat keine Religion gepredigt. Er predigte die Wahrheit, den Weg und das Leben.»
Dylan hat es jedoch abgelehnt, deswegen als Fundamentalist bezeichnet zu werden: «Ich war nie ein Fundamentalist... das sind nur Labels, welche Leute einem anhängen.» Er wollte nicht auf eine bestimmte Rolle festgelegt werden. Seine religiöse Entwicklung verlief in Phasen: Dabei reifte er vom «unerbittlich Suchenden» und «widerwilligen Propheten» zu einem spirituellen Menschen, dem es «wohl ist in seiner Haut».
Herzlich, Markus Baumgartner
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