Die «Sorgenfänger» im Gefängnis

Gefangene haben ein Recht auf seelsorgerische Betreuung

«Eingesperrt werden bedeutet, dass der Kontakt zu den engsten Angehörigen und Freunden sofort abreisst oder nur noch im Notprogramm läuft», schildert ein Langzeitgefangener seine Situation. «Abgehörte Telefongespräche, amtlich mitgelesene Briefe und der Besuch hinter einer dicken Glaswand» – da bleibe dann oft nur noch der Seelsorger als «Sorgenfänger, Klagemauer und Ausweinbecken».
Immer wieder gibt es Reportagen in Zeitungen über Gefängnisseelsorger, die einen Blick hinter die Mauern erlauben. So auch jüngst der «Zürcher Unterländer», der über ein Porträt über Frank Stüfen bringt. Der 48-jährige arbeitet bereits seit acht Jahren in der Gefängnisseelsorge, seit einem Jahr vollamtlich in der «Pöschwies». Dort betreut er als reformierter Seelsorger mit seinem katholischen Amtskollegen 440 Insassen und 300 Angestellte. Als Stüfen damals für diese Stelle angefragt wurde, habe er zuerst innerlich abgewehrt. Zu gross schien ihm die Belastung, täglich mit all den schweren Schicksalen, Geschichten, Emotionen und Nöten der Gefangenen konfrontiert zu werden. Dann legte er die Entscheidung in Gottes Hand und bewarb sich einfach mal: «Wenn Gott will, dass ich dort hinkomme, dann wird er es schon richten.»
Gott wollte es. Und nun führt Stüfen mit den Insassen seelsorgerische Gespräche, hält am Sonntag Gottesdienste in der Gefängniskapelle ab oder trifft sich über Mittag mit den afrikanischen Christen zur «Bible and Prayer’s Group». Auch ein Chorprojekt hat Stüfen auf die Beine gestellt. «Am Anfang wollte ich mit ihnen noch die traditionellen Kirchenlieder singen. Aber das funktionierte nicht», erzählt der ehemalige Gemeindepfarrer von Buchs. «Es ist schön zuzuschauen, wie das Singen sie öffnet und wie sie dabei aufblühen.»
Zur Weihnachtszeit falle so mancher Gefängnisinsasse in ein Loch, erklärt Stüfen: «Es ist für viele deshalb äusserst schmerzhaft, wenn sie in dieser Zeit von ihrer Familie getrennt sein müssen, weil diese etwa im Ausland lebt.» Vom 23. bis zum 26. Dezember war er fast nonstop für die Insassen unterwegs, organisierte verschiedene Weihnachtsfeiern und hielt den Gottesdienst. Auch wenn Stüfen hinter den Toren der Anstalt von grossem Leid und schweren Nöten hört, hat ihn das nie in eine Glaubenskrise gestürzt. Im Gegenteil, die Arbeit habe seinen Glauben gestärkt, betont er: «Denn ohne einen Gott wären so tiefe und intensive Begegnungen nicht möglich, wie ich sie mit den Insassen erlebe.»
Gottes Segen zum neuen Jahr! Markus Baumgartner
Das DienstagsMAIL ist eine nicht-kommerzielle und kostenlose Dienstleistung für Christen, die ihr Engagement öffentlichkeitswirksamer gestalten wollen. Das DienstagsMAIL wird von einem Kommunikationsprofi in seiner Freizeit verfasst. Die praktischen Tipps sollen mithelfen, dass Christen verstärkt in der Gesellschaft wahr genommen werden.