«Vielleicht ist Beten gar nicht so dumm»

Bekenntnisse der Ex-Geisel Andreas Notter

In einem Interview der «Mittelland Zeitung» berichtete der 38-Jährige Andreas Notter, dass die drei entführten IKRK-Mitarbeiter mit ihren Entführern Karten gespielt hätten. Jeder habe sein nationales Kartenspiel präsentiert. Durchgesetzt habe sich das schweizerische «Tschau Sepp», sagte Notter. Dennoch habe zu den Entführern kein freundschaftliches Verhältnis bestanden. Im Sinne der Ziele des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) habe er sich aber um verletzte Personen der Rebellengruppe Abu Sayyaf gekümmert.
Notter bekräftigte, dass seine Freiheit nach 93 Tagen Geiselhaft «zufällig» zu Stande kam: Er sei während eines nächtlichen Marsches am vergangenen 18. April im Dschungel verloren gegangen. Die Erleichterung reichte bis in die Heimat: «Diese Nachricht klingt wie die Botschaft von der Auferstehung», sagte Pfarrerin Susanne Ziegler Morgen in der reformierten Stadtkirche von Lenzburg.
Auch in Zukunft will Notter als IKRK-Delegierter tätig sein und in Krisengebieten arbeiten – er wolle etwas von dem zurückgegeben, was er in der Schweiz bekommen habe. Angst habe er keine: «Es gibt überall Risiken – auch wenn ich in die Berge gehe. Gefährlich wird es erst, wenn man den Berg nicht respektiert.» Er sage nicht, dass er keine Angst habe. Die Frage sei: «Kontrolliere ich die Angst oder kontrolliert die Angst mich?»
Für ihn und die anderen Geiseln hat der Glaube während der Entführung eine wichtig Rolle gespielt. Wenn man sich total verloren fühle, denke man plötzlich: «Vielleicht wäre es gar nicht so eine dumme Idee zu beten.» Er habe dann gemeinsam mit seinen Mitgeiseln das «Vater unser» gebetet – just an jenem Abend kam die erste Geisel, die Philippina Mary Jean Lacaba, frei.
Zuvor hatten die Lenzburger Kirchen einen ökumenischen Gebetsgottesdienst mit Fackelzug für Andreas organisiert.
Wann haben Sie das öffentliche Beten zum letzten Mal zum Thema gemacht?
Herzlich, Markus Baumgartner
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